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Verfasst: Freitag 9. Januar 2004, 14:55
von werner

Verfasst: Freitag 9. Januar 2004, 13:55
von werner
HAMLETMASCHINE
Hainer Müller

- excerpt 1 -

FAMILIENALBUM


Ich war Hamlet. Ich stand an der Küste und redete mit der Brandung BLA BLA,
im Rücken die Ruinen von Europa. Die Glocken läuteten das Staatsbegräbnis ein, Mörder und Witwe ein Paar, im Stechschritt hinter dem Sarg des hohen Kadavers,
die Räte, heulend in schlecht bezahlter Trauer.
WER ist die Leich im Leichenwagen / UM WEN hört man viel Schrein und Klagen. Es ist die Leich eines GROßEN / GEBERS von Almosen, das Spalier der Bevölkerung, Werk seiner Staatskunst. Er war ein Mann, nahm alles nur von Allen.
Ich stoppte den Leichenzug, stemmte den Sarg mit dem Schwert auf. Dabei brach die Klinge, mit dem stumpfen Rest gelang es und verteilte den toten Erzeuger
- FLEISCH UND FLEISCH GESELLT SICH GERN - unter den umstehenden Elendsgestalten. Die Trauerfeier ging in Jubel über, der Jubel in Schmatzen, auf dem leeren Sarg besprang der Mörder die Witwe. Soll ich dir hinauf helfen ONKEL, mach die Beine auf Mama.
Ich legte mich auf den Boden und hörte die Welt ihre Runden drehen im Gleichschritt der Verwesung.


- excerpt 2 -


SOLL ICH
WEILS BRAUCH IST;
EIN STÜCK EISEN
STECKEN IN
DAS NÄCHSTE FLEISCH ODER INS
ÜBERNÄCHSTE
MICH DRAN ZU HALTEN WEIL DIE WELT
SICH DREHT
HERR, BRICH MIR DAS GENICK IM STURZ VON
EINER
BIERBANK


- excerpt 3 -


DAS EUROPA DER FRAU
Ich bin Ophelia. Die der Fluß nicht behalten hat. Die Frau am Strick. Die Frau mit den aufgeschnittenen Pulsadern. Die Frau mit der Überdosis AUF DEN LIPPEN SCHNEE. Die Frau mit dem Kopf im Gasherd. Gestern habe ich aufgehört mich zu töten. Ich bin allein mit meinen Brüsten meinen Schenkeln meinem Schoß. Ich zertrümmere die Werkzeuge meiner Gefangenschaft den Stuhl den Tisch das Bett. Ich zerstöre das Schlachtfeld das mein Heim war. Ich reiße die Türen auf damit der Wind herein kann und der Schrei der Welt. Ich zerschlage das Fenster. Mit meinen blutenden Händen zerreiße ich die Fotografien der Männer die ich geliebt habe auf dem Tisch auf dem Stuhl auf dem Boden. Ich lege Feuer an mein Gefängnis. Ich werfe meine Kleider in das Feuer. Ich grabe die Uhr aus meiner Brust die mein Herz war. Ich gehe auf die Strasse gekleidet in mein Blut.





- excerpt 4 -


Fernsehn Der tägliche Ekel Ekel
Am präpariertem Geschwätz Am verordneten Frohsinn
Wie schreibt man GEMÜTLICHKEIT
Unsern Täglichen Mord gib uns heute
Denn Dein ist das Nichts Ekel
An den Lügen die geglaubt werden
Von den Lügnern und niemandem sonst Ekel
An den Lügen die geglaubt werden Ekel
An den Visagen der Macher gekerbt
Vom Kampf um Posten Stimmen Bankkonten
Ekel Ein Sichelwagen der von Pointen blitzt
Geh ich durch die Strassen Kaufhallen Gesichter
Mit den Narben der Konsumschlacht Armut
Ohne Würde Armut ohne die Würde
Des Messers des Schlagrings der Faust
Die erniedrigten Leiber der Frauen
Hoffnung der Generationen
In Blut Feigheit Dummheit erstickt
Gelächter aus toten Bäuchen
Heil COCA COLA
Ein Königreich
Für einen Mörder