texte & gedichte um die rose
Wirklich Unnahbar
Am Wegesrand blüh‘n viele Rosen.
Die Wilde blüht im Unterholz.
Sie lässt sich nicht so gern liebkosen,
Verwelkt allein in ihrem Stolz.
Doch lieber stolz als hingegeben,
Zertreten bald, weil Gier nur fasst.
Sie opfert sich, verliert ihr Leben,
Dafür sie sich fortan nur hasst?
Nein, das wünscht nicht die wilde Rose.
Sie will geliebt sein, voller Zier.
Mit Eleganz in stolzer Pose,
Und manchmal auch mit etwas Gier.
Annerose Scheidig (13.01.2009)
Am Wegesrand blüh‘n viele Rosen.
Die Wilde blüht im Unterholz.
Sie lässt sich nicht so gern liebkosen,
Verwelkt allein in ihrem Stolz.
Doch lieber stolz als hingegeben,
Zertreten bald, weil Gier nur fasst.
Sie opfert sich, verliert ihr Leben,
Dafür sie sich fortan nur hasst?
Nein, das wünscht nicht die wilde Rose.
Sie will geliebt sein, voller Zier.
Mit Eleganz in stolzer Pose,
Und manchmal auch mit etwas Gier.
Annerose Scheidig (13.01.2009)
'Swany'
Während seines ersten Aufenthaltes in Paris ging der deutsche Schriftsteller Rainer Maria Rilke(1875-1926) jeden Mittag in der Begleitung einer jungen Französin an einer alten Bettlerin vorbei. Stumm, starr, unbeweglich und unbeteiligt saß sie Tag für Tag auf einem Mauerstück eines öffentlichen Gartens. Zu keinem Geber sah sie auf. Sie bat nicht und dankte nicht. Hatte einer ein Geldstück in ihren Handteller gelegt, dann holte sie die Hand zu sich zurück, ließ die Münze in ihrer Kleidertasche verschwinden und schickte die aufgetane Hand wieder von sich fort.
Während nun die Französin die Bettlerin stets mit einer ansehnlichen Gabe bedachte, spendete Rilke keinen Sou. "Man müßte ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand", sagte er ihr, als sie sich über sein Verhalten wunderte. Am nächsten Mittag trug der Dichter eine kaum erblühte weiße Rose zart, behutsam und gütig zwischen den Spitzen seiner Finger. Über das Gesicht der Freundin lief Freudenröte. Sie dachte: "Mir eine Rose aus der Hand Rainer Maria Rilkes!" Doch sie bekam die Rose nicht. Bei der Bettlerin angekommen, stand der Dichter still und legte die weiße Rose in die geöffnete Hand der alten Frau. Da geschah, was bisher noch nie geschehen war: Die Bettlerin sah zum Geber empor. Mehr noch: sie stand auf, griff nach der Hand des fremden Mannes, küßte sie und ging mit der Dichterrose fort.
An den folgenden Tagen mied Rilke die Straße der Bettlerin. Die Freundin hingegen konnte es nicht unterlassen, alle Tage den gewohnten Weg zu gehen, nur um - wie sie sich selbst zur Entschuldigung sagte - der Bettlerin die ihr täglich zustehende Münze zu geben. Doch zu ihrer großen Verwunderung traf sie die Bettlerin nicht an. Nach einer Woche hielt sie das Schweigen nicht länger aus. Sie war entschlossen, mit dem Dichter über die Wirkung seiner Gabe zu sprechen, und zwar sobald er das nächste Mal an der Bettlerinstraße vorübergehen wollte. Aber genau in dem Augenblick, da sie ihre Frage stellen wollte, bog Rilke in die seit einer Woche gemiedene Straße ein. "Jetzt können wir wieder hier entlanggehen, denn sie sitzt heute wieder an ihrem Platz." Die Freundin war nur noch eine einzige Frage. Der Dichter hatte recht. Die alte Bettlerin saß wie gewohnt auf dem Mauerstück: stumm, starr, unbeweglich, unbeteiligt. Und während die Rilke-Freundin eine Münze in die ausgestreckte Hand legte, die größer war als je zuvor, und die Bettlerin diese auf die übliche Weise verschwinden ließ, gab Rilke nichts. Die Freundin aber hatte eine Frage, die sie nicht unterdrücken konnte: "Wovon hat sie all die Tage, da niemand Geld in ihre Hand legen konnte, gelebt?" Rainer Maria Rilke antwortete ihr: "Von der Rose!"
Während seines ersten Aufenthaltes in Paris ging der deutsche Schriftsteller Rainer Maria Rilke(1875-1926) jeden Mittag in der Begleitung einer jungen Französin an einer alten Bettlerin vorbei. Stumm, starr, unbeweglich und unbeteiligt saß sie Tag für Tag auf einem Mauerstück eines öffentlichen Gartens. Zu keinem Geber sah sie auf. Sie bat nicht und dankte nicht. Hatte einer ein Geldstück in ihren Handteller gelegt, dann holte sie die Hand zu sich zurück, ließ die Münze in ihrer Kleidertasche verschwinden und schickte die aufgetane Hand wieder von sich fort.
Während nun die Französin die Bettlerin stets mit einer ansehnlichen Gabe bedachte, spendete Rilke keinen Sou. "Man müßte ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand", sagte er ihr, als sie sich über sein Verhalten wunderte. Am nächsten Mittag trug der Dichter eine kaum erblühte weiße Rose zart, behutsam und gütig zwischen den Spitzen seiner Finger. Über das Gesicht der Freundin lief Freudenröte. Sie dachte: "Mir eine Rose aus der Hand Rainer Maria Rilkes!" Doch sie bekam die Rose nicht. Bei der Bettlerin angekommen, stand der Dichter still und legte die weiße Rose in die geöffnete Hand der alten Frau. Da geschah, was bisher noch nie geschehen war: Die Bettlerin sah zum Geber empor. Mehr noch: sie stand auf, griff nach der Hand des fremden Mannes, küßte sie und ging mit der Dichterrose fort.
An den folgenden Tagen mied Rilke die Straße der Bettlerin. Die Freundin hingegen konnte es nicht unterlassen, alle Tage den gewohnten Weg zu gehen, nur um - wie sie sich selbst zur Entschuldigung sagte - der Bettlerin die ihr täglich zustehende Münze zu geben. Doch zu ihrer großen Verwunderung traf sie die Bettlerin nicht an. Nach einer Woche hielt sie das Schweigen nicht länger aus. Sie war entschlossen, mit dem Dichter über die Wirkung seiner Gabe zu sprechen, und zwar sobald er das nächste Mal an der Bettlerinstraße vorübergehen wollte. Aber genau in dem Augenblick, da sie ihre Frage stellen wollte, bog Rilke in die seit einer Woche gemiedene Straße ein. "Jetzt können wir wieder hier entlanggehen, denn sie sitzt heute wieder an ihrem Platz." Die Freundin war nur noch eine einzige Frage. Der Dichter hatte recht. Die alte Bettlerin saß wie gewohnt auf dem Mauerstück: stumm, starr, unbeweglich, unbeteiligt. Und während die Rilke-Freundin eine Münze in die ausgestreckte Hand legte, die größer war als je zuvor, und die Bettlerin diese auf die übliche Weise verschwinden ließ, gab Rilke nichts. Die Freundin aber hatte eine Frage, die sie nicht unterdrücken konnte: "Wovon hat sie all die Tage, da niemand Geld in ihre Hand legen konnte, gelebt?" Rainer Maria Rilke antwortete ihr: "Von der Rose!"
'Winchester Cathedral'
Rose aus dem Nichts ...
Jetzt, da die Rose aus dem Nichts
ins Dasein tritt, zum Schmuck der Auen,
In Demut kaum das Veilchen wagt
zur Herrlichen emporzuschauen –
Sollst Du am Morgenwein Dich freun
bei Paukenschall und Harfenklange,
Bei Flötenhauch und Feuerkuß
an junger Schönheit Dich erbauen.
Genieß des Lebens Rosenzeit
bei Spiel und Sang, im Glück der Liebe.
Nicht über eine Woche Frist
kannst Du der Herrlichen vertrauen!
Von Blumen glänzt die Erde nun,
gleichwie der Himmel glänzt von Sternen,
Drum kann ich gute Zeiten nur
auf Erden wie am Himmel schauen.
Hafis, Muhammad Schams ad-Din (1320-1390)
Rose aus dem Nichts ...
Jetzt, da die Rose aus dem Nichts
ins Dasein tritt, zum Schmuck der Auen,
In Demut kaum das Veilchen wagt
zur Herrlichen emporzuschauen –
Sollst Du am Morgenwein Dich freun
bei Paukenschall und Harfenklange,
Bei Flötenhauch und Feuerkuß
an junger Schönheit Dich erbauen.
Genieß des Lebens Rosenzeit
bei Spiel und Sang, im Glück der Liebe.
Nicht über eine Woche Frist
kannst Du der Herrlichen vertrauen!
Von Blumen glänzt die Erde nun,
gleichwie der Himmel glänzt von Sternen,
Drum kann ich gute Zeiten nur
auf Erden wie am Himmel schauen.
Hafis, Muhammad Schams ad-Din (1320-1390)