Synästhesie

sarah
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Beitrag von sarah »

Synästhesie


Man schätzt, dass sich bei jedem 2000. Menschen die Sinne überschneiden: Sie riechen, wenn sie etwas ansehen, oder sie hören, wenn sie eigentlich sehen ("Farbenhören"). Das Wort Synästhesie ist abgeleitet von den altgriechischen Wörtern syn und aisthesis, laut Duden die "Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen". Synästhesie ist ein zusätzlicher Kanal der Wahrnehmung. Manche Synästhetiker können Buchstaben fühlen, andere können Töne in bunten Farben sehen. Die meisten sehen Texte und Zahlen in Farbe. Manchen erscheint die zusätzliche Information wie auf einem Bildschirm vor Augen, bei anderen findet sie im Kopf statt. Besonders aufschlussreich ist der Fall des russischen Komponisten Alexandr Skrjabin, der schon um die Jahrhundertwende versuchte, seine synästhetischen Erfahrungen dem Publikum zu vermitteln. Seine Symphonie "Prométhée" enthält eine Partitur für ein so genanntes Lichtklavier, das Töne in Farben und Formen übersetzen sollte.

Das Gehirn interpretiert
Das Gehirn bildet die Außenwelt nicht einfach ab, wie das ein Fotoapparat oder ein Tonbandgerät tut. Es interpretiert die Signale von außen und setzt daraus eine ganz persönliche Welt zusammen. Aus den Signalen der Außenwelt wird also eine Innenwelt geschaffen, und sehr oft haben beide Dinge nur wenig miteinander zu tun. Unsere Nervenzellen erschaffen nicht nur ein Abbild, sondern bewerten es auch. So kann das Bild einer roten Rose unwillkürlich den Duft der Blume in uns aufsteigen lassen, vielleicht auch die zärtliche Erinnerung an eine große Liebe. All das geschieht, ohne dass davon etwas in unser Bewusstsein dringt. Der amerikanische Neurophysiologe Benjamin Libet fand heraus, dass das Bewusstsein etwa eine halbe Sekunde hinter den Aktivitäten des Gehirns hinterherhinkt. Wenn unser Bewusstsein glaubt, eine Entscheidung zu fällen, hat unser Gehirn schon längst alle Informationen der Außenwelt analysiert, bewertet und sich zurechtgelegt, was es mit diesen Informationen anfangen will. All das, was wir davon nicht merken sollen, wird vom Gehirn herausgefiltert.

Erklärungen zur Synästhesie
Es kann sein, dass bei Synästhetikern die Informations- und Wahrnehmungsfilter durchlässiger sind als bei der Mehrzahl der Menschen. Doch diese These ist umstritten, die Ergebnisse eines Tierexperiments scheinen sie jedoch eher zu stützen: Werden Nervenbahnen nämlich in einer frühen Entwicklungsphase falsch verschaltet, so kann ein Tier sogar mit dem Hörzentrum des Gehirns sehen. Mriganka Sur und seine Arbeitsgruppe vom MIT leiteten bei neugeborenen Frettchen die vom Auge kommenden Nerven in das Hörzentrum um. Unter dem Einfluss der vom Auge kommenden Reize bildeten sich Nervenzellen aus, die in typischer Weise optische Eindrücke verarbeiten. Allein die Qualität des einlaufenden Signals, so folgern die Forscher, entscheidet über die Funktion eines speziellen Hirnteils.
Der britische Neurologe Simon Baron-Cohen glaubt, dass im Gehirn von Synästhetikern eine ungewöhnliche Verdrahtung existiert.


Kernspin-Aufnahme während einer synästhetischen Wahrnehmung
Aktuelle PET und fMRI Studien zeigen, dass Synästhetiker auch eine aktive Sehrinde haben, wenn sie etwas hören. Manches spricht dafür, dass Synästhesie genetische Ursachen hat. Von 26 Synästhetikern, die an der Universtität Cambridge untersucht wurden, hatten die Mehrzahl nahe Verwandte, bei denen das Phänomen ebenfalls auftrat. Auffällig ist auch: Über achtzig Prozent aller Synästhetiker sind Frauen; der Anteil homosexueller Männer und Frauen scheint überproportional hoch zu sein. Allerdings leiden alle Studien darunter, dass bisher vergleichsweise wenige Menschen untersucht werden konnten. Auch "normale" Menschen können unter Drogen synästhetische Erlebnisse haben.

Angela Bode
sarah
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Beitrag von sarah »

ist für mich wirklich normal, ich kenne es ja nicht anders! wörter haben halt immer schon für mich ne farbe gehabt, buchstaben noch mehr, zahlen auch....und ich habs auch immer erzählt - manchmal führte es zu belustigung, manchmal wurde interessiert zugehört....und manchmal werde ich in einer situation gefragt: und welche farbe hat das? und dann kann ich sofort antworten, weil: alles hat für mich ne farbe....tja, ich war echt froh, als ich gestern las, dass das wohl nicht nur mich betrifft.....
jeder 2000ste mensch hat das :o)
sarah
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Beitrag von sarah »

äh ja....ich bin auch synästhesistisch....hatte nur jahrelang das wort vergessen und konnte deshalb nicht nachforschen.....gestern abend hab ich das wort, die bezeichnung wieder bekommen....und dank google konnte ich dann mehr nachlesen (was ich eh schon wusste...)
Ginny
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Beitrag von Ginny »

Du schreibst : für uns ist das völlig normal ????
sarah
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Beitrag von sarah »

Synästhesie - übersetzt heisst das Vermischung der Sinne - ist eine seltsame Laune der Natur. Die Sinnesreize werden bei Synästhetiker nicht sauber getrennt, sondern zu einem neuen Muster verwoben. Wie dieses Muster aussieht, hängt vom Individuum ab. Synästhetiker spüren z.B. Geschmack als ein geometrisches Muster auf der Haut, Farben können ein intensives Geruchserlebnis auslösen oder sie können Töne sehen. Viele werden sich fragen, werden die nicht verrückt, bei all dem Zeug, das da in ihrem Kopf vor sich geht? Aber das ist, wie wenn ein Blinder zu ihnen sagt: Oh je, wie können Sie das nur aushalten: Wohin Sie sich auch wenden, überall müssen Sie etwas sehen. Für uns ist das aber ganz normal. Und so haben Synästhetiker ebenso IHRE Realität. Sie sind geistig völlig normal. Sie erleben nur die Welt anders als die meisten von uns.

Synästhesie geschieht übrigens unfreiwillig. Man hat keine Kontrolle darüber. Nicht so, wie wenn wir Beethoven hören und uns dabei eine wunderbare Landschaft vorstellen, die wir aber jederzeit wieder ausblenden können.

Neuere Forschung zeigt, dass wir alle die Realität als einheitliches Ganzes aufnehmen und danach erst in die einzelnen getrennten Sinneskanäle weiterleiten und auswerten. Dies dringt aber nicht in unser Bewusstsein vor. Es gibt also nur eine Handvoll, genau ca. 25'000 Menschen, die diese normalen Abläufe im Gehirn wahrnehmen können, die Synästhetiker. Der Teil, in dem synästhetische Erfahrungen stattfinden, ist das limbische System, das unterhalb des Grosshirns liegt und für unsere Gefühle zuständig ist.

Die Synästhesie ist also eine völlig normale Gabe der Natur, an der man sich als Bereicherung des Lebens freuen können!

Copyright© by Dr. med. Thomas Walser, CH-8004 Zürich
Zuletzt geändert von sarah am Mittwoch 1. Oktober 2003, 12:51, insgesamt 1-mal geändert.
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