Vor sieben Jahren haben GG und ich das erste Mal in Boltenhagen ein paar Tage im Herbst verbracht. Damals wohnten wir außerhalb des Ortes, im Stadtteil Tarnewitz mit dem großen Yachthafen. Dort waren wir auch direkt an der Ostsee, aber mit nur ganz wenig Strand. Darum habe ich diesmal direkt in Boltenhagen eine Unterkunft gesucht. Wir wohnten in einem Haus, das 1906 von einem preußischen Stahlbaron gebaut wurde. Unsere Wohnung lag im ersten Stock und umfasste die Glasveranda und den linken Erker.
Das kleine Holzhäuschen im Hintergrund ist schon auf dem Deich, es ist die Strandkorbvermietung. Dahinter ist dann die Ostsee
Ihr seht, dass auf dem Grundstück einige Bäume stehen. Ursprünglich war es mal ein Park. Aber ich schrieb ja schon, dass das Haus eine sehr wechselhafte Geschichte hat. 1916 verstarb der Bauherr. Seine Erben ließen die Glasveranda im ersten Stock anbauen (die sehr groß und schön ist, aber nicht beheizbar ist, darum eher für wärmere Tage geeignet) und vermieteten an Feriengäste.
Während der Nazi-Zeit wurden dort die Telefonistinnen des Tarnewitzer Militärflughafens einquartiert.
1945 wurde das Anwesen von der Familie der heutigen Besitzer erworben. Sie mussten es damals mit vielen Kriegswaisen teilen. Ihnen folgten sowjet. Generäle aus Berlin und Schwerin, die sich als Sommerfrischler einquartierten. Als die Fllüchtlingfamilien aus Ost- und Westpreußen kamen, verließen die Generäle das Haus und die Familien fanden vorübergehend Unterschlupf. So nach und nach kamen auch die ersten Arbeiter der DDR-Betriebe, um ihren Urlaub dort zu verbringen. Diese ganze Zeit von 1945 bis 1953 fanden die Eigentümer nur wenig Platz in ihrem Haus für sich selber. Geld durften sie mit der Vermietung auch nicht verdienen, nur so viel einnehmen, dass das Haus gerade eben erhalten werden konnte.
Der FDGB hatte mittlerweile ein Auge auf die Hotels und Pensionen an der Ostseeküste geworfen. 1953 erfolgte eine Enteignungswelle durch die Aktion Rose. Auch die Eigentümerin des Strandhauses wurde unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und ihre drei Kinder in ein Kinderheim gesteckt. Der Hausherr war zu dem Zeitpunkt schon verstorben. Nach Stalins Tod wurde diese Häftlinge wieder entlassen und durften in ihre inzwischen ziemlich leergeräumten Häuser zurückkehren.
1956 zogen dann nochmal Waisenkinder ein, diesmal aus dem Ungarn-Aufstand. Da hatte der FDGB-Feriendienst das Haus schon komplett übernommen und die Eigentümer verließen die die DDR.
1989 erhielt die Familie das völlig heruntergewirtschaftete Haus zurück und hatten die Wahl zwischen Abriss und Wiederaufbau. Sie entschieden sich für Letzteres. In den Jahren als der FDGB dort "Hausherr" war, wurden viele der alten Bäume gefällt und kleine Bungalows gebaut. Diese sind nun Geschichte und das Grundstück ist wieder ein bisschen aufgeforstet worden. Der Wiederaufbau des Hauses erfolgte gemäß des Denkmalschutzes. Der Eigentümer ist ein Kunsthistoriker Peter Lemburg und hat demzufolge einen sehr guten Blick für Details. Entsprechend schön ist das Haus wieder geworden. Aus Energiegründen wird es aber tatsächlich ab Oktober nicht mehr vermietet - nicht erst seit diesem Jahr.
So, das war der geschichtliche Teil. Nun folgen noch ein paar Eindrücke aus Boltenhagen und von der Ostsee
Wir bummeln jetzt ein bisschen durchs Kurzentrum
Hier qualmt der Räucherofen noch, drei Stunden später genossen wir wunderbaren Heilbutt
Kommt mit an den Strand. Hier seht Ihr das Strandkorbvermietungshäuschen von der Seeseite
Was da so steil von links nach rechts am Bild hochsteigt, ist die Seebrücke
Damit man auch wiederkommt, kann man Cents werfen
Mir persönlich gefällt der Naturstrand an der Steilküste besser als der "gefegte" Strand. Diesmal haben wir gar keine Hühnergötter gefunden.
Weil wir zur Steilküste mit dem Auto gefahren waren, sind wir dann auch noch in die entgegengesetzte Richtung gefahren und haben uns den Yachthafen aus unserem ersten Urlaub angesehen - die Weiße Wiek
Eigentlich enden meine Reiseberichte ja immer mit einem Sonnenuntergang über dem Meer. Das ist zu dieser Jahreszeit in Boltenhagen nicht möglich. Dafür gibt es herrliche Sonnenaufgänge. Nur, um die vernünftig zu fotografieren, hätte ich mich frühmorgens anziehen und an den Strand gehen müssen. Die Fotos durch die Bäume hindurch sind nicht wirklich zeigbar geworden. Wir hatten am Samstagmorgen einen wirklich spektakulären Aufgang. Der Himmel war ein einziges Flammenmeer. So was habe ich noch nicht gesehen. Das habe ich aber ganz entspannt am Erkerfenster genossen
Dafür gibt es diesmal als Abschlussbild ein Wolkenfoto