Texte & Bilder II
Atemloser August
Sommermonde machen Stroh aus Erde,
Die Kastanienblätter wurden ungeheuer von Gebärde,
Und die kühnen Bäume stehen nicht mehr auf dem Boden,
Drehen sich in Lüften her gleich den grünen Drachen.
Blumen nahen sich mit großen Köpfen, und scharlachen,
Blau und grün und gelb ist das Gartenbeet, hell zum Greifen,
Als ob grell mit Pfauenschweifen ein Komet vorüberweht.
Und mein Blut, das atemlos bei den sieben Farbenstreifen stille steht,
Fragt sich: wenn die Blum', Baum und Felder sich verschieben,
Ob zwei Menschen, wenn die Welt vergeht,
Zweie, die sich lieben, nicht von allen Wundern übrig blieben.
Max Dauthendey
Sommermonde machen Stroh aus Erde,
Die Kastanienblätter wurden ungeheuer von Gebärde,
Und die kühnen Bäume stehen nicht mehr auf dem Boden,
Drehen sich in Lüften her gleich den grünen Drachen.
Blumen nahen sich mit großen Köpfen, und scharlachen,
Blau und grün und gelb ist das Gartenbeet, hell zum Greifen,
Als ob grell mit Pfauenschweifen ein Komet vorüberweht.
Und mein Blut, das atemlos bei den sieben Farbenstreifen stille steht,
Fragt sich: wenn die Blum', Baum und Felder sich verschieben,
Ob zwei Menschen, wenn die Welt vergeht,
Zweie, die sich lieben, nicht von allen Wundern übrig blieben.
Max Dauthendey
-
- Beiträge: 3049
- Registriert: Donnerstag 26. September 2002, 12:25
- Wohnort: VIE in NRW
Genieße still zufrieden
den sonnig heitren Tag.
Du weißt nicht, ob hienieden
ein gleicher kommen mag.
Es gibt so trübe Zeiten,
da wird das Herz uns schwer,
dann wogt von allen Seiten
um uns ein Nebelmeer.
Da wüchse tief im Innern
die Finsternis mit Macht,
ging nicht ein süß Erinnern
als Mondlicht durch die Nacht
Julius Sturm (1816-1896)
den sonnig heitren Tag.
Du weißt nicht, ob hienieden
ein gleicher kommen mag.
Es gibt so trübe Zeiten,
da wird das Herz uns schwer,
dann wogt von allen Seiten
um uns ein Nebelmeer.
Da wüchse tief im Innern
die Finsternis mit Macht,
ging nicht ein süß Erinnern
als Mondlicht durch die Nacht
Julius Sturm (1816-1896)
Aussichtsloser Kampf
Geiferkrallen angeln nach dir
untersteh dich nicht
anders zu sein!
Sie blecken die Zähne und kommen näher
umringen dich
gieren nach Sensationen.
Du spürst, wie Freunde von dir abfallen
Und die Kälte an deinen Knochen entlang kriecht.
Sie protzen und prunken mit ihrer Moral
der Boden wankt unter deinen Füßen.
In deiner Hilflosigkeit willst du erklären und dich verteidigen
die weiche Masse vor dir heuchelt Verständnis
und zieht dir hinterrücks
deine Kraft aus dem Mark.
Du taumelst und fällst
willst kämpfen
aber bist zu alleine.
Sie stürzen sich auf dich
wie ein wabbliger Albtraum
Sie schneiden dich ab vom Kraftstrom
Deine Freunde, die Pharisäer
verfault bis aufs krankende Gehirn
aber im weißen Kleid
und den Schmutz wohl gehütet
im hintersten Winkel ihrer Leere
ihre eigenen Gefühle anbetend.
Du schlägst und trittst nach ihnen
versuchst, sie mit den Zähnen zu packen
deine Nägel in ihre gaffenden Glotzaugen zu krallen
aber sie sind wie fettes Gelée
das sich dem Messer deines Hasses
durch glitschige Nachgiebigkeit entzieht.
Dann kommt die Müdigkeit,
Heiserkeit nach langem Schrei
deine Augen sind trocken
es hilft dir nicht mehr.
Gnädig verzeihend
mit wohlwollender Selbstgefälligkeit
bringen sie dich zur VERNUNFT
bekehren dich
nehmen dich in ihre schleimige Mitte
und du
resignierst.
- Wieder einer mehr!
Raphaela, 1976
Geiferkrallen angeln nach dir
untersteh dich nicht
anders zu sein!
Sie blecken die Zähne und kommen näher
umringen dich
gieren nach Sensationen.
Du spürst, wie Freunde von dir abfallen
Und die Kälte an deinen Knochen entlang kriecht.
Sie protzen und prunken mit ihrer Moral
der Boden wankt unter deinen Füßen.
In deiner Hilflosigkeit willst du erklären und dich verteidigen
die weiche Masse vor dir heuchelt Verständnis
und zieht dir hinterrücks
deine Kraft aus dem Mark.
Du taumelst und fällst
willst kämpfen
aber bist zu alleine.
Sie stürzen sich auf dich
wie ein wabbliger Albtraum
Sie schneiden dich ab vom Kraftstrom
Deine Freunde, die Pharisäer
verfault bis aufs krankende Gehirn
aber im weißen Kleid
und den Schmutz wohl gehütet
im hintersten Winkel ihrer Leere
ihre eigenen Gefühle anbetend.
Du schlägst und trittst nach ihnen
versuchst, sie mit den Zähnen zu packen
deine Nägel in ihre gaffenden Glotzaugen zu krallen
aber sie sind wie fettes Gelée
das sich dem Messer deines Hasses
durch glitschige Nachgiebigkeit entzieht.
Dann kommt die Müdigkeit,
Heiserkeit nach langem Schrei
deine Augen sind trocken
es hilft dir nicht mehr.
Gnädig verzeihend
mit wohlwollender Selbstgefälligkeit
bringen sie dich zur VERNUNFT
bekehren dich
nehmen dich in ihre schleimige Mitte
und du
resignierst.
- Wieder einer mehr!
Raphaela, 1976
(VER)DUMM(END)E DINGE
dringen solange tief
in uns ein
bis wir zu dumm
gemacht werden
anderes haben
wollen zu können.
je verdummter
umso verstummter
und umso unfähiger
die verdummung
zu erkennen
und jede weitere
zu verhindern
helmut seethaler
Helmut Seethaler ist DER Wiener "Zettelpoet", der seit zig Jahren (ich kenn ihn schon mindestens 20 - 30) auf öffentlichen Wiener Plätzen, vornehmlich in U-Bahn-Stationen, seine Gedichte auf kleinen Zettelchen für die Leute anbringt, zum Mitnehmen. Er nennt das auch "Pflückliteratur". Dieser Mann hat schon etliche Anzeigen deshalb bekommen, wurde anscheinend aber noch nie ernsthaft gestraft.
Jetzt steht seine Kunst unter Schutz, hab ich grade auf seiner Seite gelesen.
Diesen Text hab ich heute entdeckt und fand ihn genial - ich mußte ihn einfach mitnehmen.
Für Interessierte - seine url: www.hoffnung.at, da sind alle Infos über ihn. Ein mutiger Mann!
uli
dringen solange tief
in uns ein
bis wir zu dumm
gemacht werden
anderes haben
wollen zu können.
je verdummter
umso verstummter
und umso unfähiger
die verdummung
zu erkennen
und jede weitere
zu verhindern
helmut seethaler
Helmut Seethaler ist DER Wiener "Zettelpoet", der seit zig Jahren (ich kenn ihn schon mindestens 20 - 30) auf öffentlichen Wiener Plätzen, vornehmlich in U-Bahn-Stationen, seine Gedichte auf kleinen Zettelchen für die Leute anbringt, zum Mitnehmen. Er nennt das auch "Pflückliteratur". Dieser Mann hat schon etliche Anzeigen deshalb bekommen, wurde anscheinend aber noch nie ernsthaft gestraft.
Jetzt steht seine Kunst unter Schutz, hab ich grade auf seiner Seite gelesen.
Diesen Text hab ich heute entdeckt und fand ihn genial - ich mußte ihn einfach mitnehmen.
Für Interessierte - seine url: www.hoffnung.at, da sind alle Infos über ihn. Ein mutiger Mann!
uli
Zuletzt geändert von uli21 am Mittwoch 28. Juli 2010, 23:34, insgesamt 1-mal geändert.
-
- Beiträge: 25931
- Registriert: Mittwoch 3. Juli 2002, 18:28
- Wohnort: Holtrop
- Kontaktdaten:
Das Rosen-Innere
Wo ist zu diesem Innen
ein Außen? Auf welches Weh
legt man solches Linnen ?
Welche Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh:
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
über von Innenraum
in die Tage, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zimmer
wird, ein Zimmer in einem Traum.
Rainer Maria Rilke, 2.8.1907, Paris
Wo ist zu diesem Innen
ein Außen? Auf welches Weh
legt man solches Linnen ?
Welche Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh:
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
über von Innenraum
in die Tage, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zimmer
wird, ein Zimmer in einem Traum.
Rainer Maria Rilke, 2.8.1907, Paris
Schlaf-Mohn
Abseits im Garten blüht der böse Schlaf,
in welchem die, die heimlich eingedrungen,
die Liebe fanden junger Spiegelungen,
die willig waren, offen und konkav,
und Träume, die mit aufgeregten Masken
auftraten, riesiger durch die Kothurne -
das alles stockt in diesen oben flasken
weichlichen Stengeln, die die Samenurne
(nachdem sie lang, die Knospe abwärts tragend,
zu welken meinten) festverschlossen haben:
gefranste Kelche auseinanderschlagend,
die fieberhaft das Mohngefäß umgaben.
Rainer Maria Rilke
-
- Beiträge: 25931
- Registriert: Mittwoch 3. Juli 2002, 18:28
- Wohnort: Holtrop
- Kontaktdaten:
-
- Beiträge: 25931
- Registriert: Mittwoch 3. Juli 2002, 18:28
- Wohnort: Holtrop
- Kontaktdaten:
Süßer Mai du Quell des Lebens...
Süßer Mai du Quell des Lebens
Bist so süßer Blumen voll
Liebe sucht auch nicht vergebens
Wem sie Kränze winden soll
Süßer Mai, mit Blumen-Glocken
Läutest du das Fest mir ein
Ich bekränze ihre Locken,
Will ein frommer Gast auch sein
Süßer Mai, zum Liebesmahle
Trägst du Blumen-Kelche ein
Blüten-Säulen stehn im Saale
Drüber wölbt sich Sonnenschein
Süßer Mai, in deinen Kelchen
Küssen fromme Bienen sich
Aber unter allen welchen
Hast du eingefüllt für mich!
Süßer Mai! du bringest nieder
Blume, Blüte, Sonnenschein,
Daß ich wisse, wem die Lieder,
Wem das Herz, das Leben weihn.
Clemens Brentano (1778-1842)
-
- Beiträge: 3049
- Registriert: Donnerstag 26. September 2002, 12:25
- Wohnort: VIE in NRW
Frühling am Meer
Nun braust vom Felsen
zum Meeresstrand
auf Wolkenschwingen
der Sturm durchs Land;
am Dünenhange
zerschmilzt der Schnee: –
in Frühlingsjubel
erbraust die See! –
Und sprosst kein Blättchen
aus Sand und Stein,
und lacht kein Veilchen
im Sonnenschein, –
Schaumkämme blitzen
wie Blütenschnee:
in Jubelhymnen
erbraust die See! –
Wie Gottes Odem
die Luft so rein!
Ich sauge den Frühling
ins Herz hinein:
da fließt vom Auge
zertauter Schnee; –
in Sturmakkorden
erbraust die See! –
Zu meinen Häupten
die Möwe zieht,
weit über die Wasser
erschallt mein Lied:
Verweht vom Sturme
des Winters Weh –
in Frühlingsjubeln
erbraust die See!
Clara Müller-Jahnke (1816-1905)
-
- Beiträge: 3049
- Registriert: Donnerstag 26. September 2002, 12:25
- Wohnort: VIE in NRW
An den Mai
Es ist doch im April fürwahr
Der Frühling weder halb noch gar.
Komm, Rosenbringer, süßer Mai,
Komm du herbei!
So weiß ich, was der Frühling sei.
Wie aber, soll die erste Gartenpracht,
Narzissen, Primeln, Hyazinthen,
Die kaum die hellen Äuglein aufgemacht
Schon welken und verschwinden?
Und mit euch besonders, holde Veilchen,
Wär's dann fürs ganze Jahr vorbei?
Lieber, lieber Mai,
Ach, so warte noch ein Weilchen!
Eduard Mörike (1804-1875)
Es ist doch im April fürwahr
Der Frühling weder halb noch gar.
Komm, Rosenbringer, süßer Mai,
Komm du herbei!
So weiß ich, was der Frühling sei.
Wie aber, soll die erste Gartenpracht,
Narzissen, Primeln, Hyazinthen,
Die kaum die hellen Äuglein aufgemacht
Schon welken und verschwinden?
Und mit euch besonders, holde Veilchen,
Wär's dann fürs ganze Jahr vorbei?
Lieber, lieber Mai,
Ach, so warte noch ein Weilchen!
Eduard Mörike (1804-1875)
-
- Beiträge: 3049
- Registriert: Donnerstag 26. September 2002, 12:25
- Wohnort: VIE in NRW
Die Zaubernuss
Im letzten Herbst gepflanzt, blüht sie nun zu meiner großen Freude.
Als dann der Frühling im Garten stand,
Das Herz, ein seltsam Sehnen empfand,
Und die Blumen und Kräuter und jeder Baum
wachten auf aus dem Wintertraum,
Schneeglöckchen und Veilchen hat über Nacht
der warme Regen ans Licht gebracht,
Aus Blüten und dunkler Erde ein Duft
durchzog wie ein sanftes Rufen die Luft.
Shelley, Percy Bysshe (1792-1832)
Im letzten Herbst gepflanzt, blüht sie nun zu meiner großen Freude.
Als dann der Frühling im Garten stand,
Das Herz, ein seltsam Sehnen empfand,
Und die Blumen und Kräuter und jeder Baum
wachten auf aus dem Wintertraum,
Schneeglöckchen und Veilchen hat über Nacht
der warme Regen ans Licht gebracht,
Aus Blüten und dunkler Erde ein Duft
durchzog wie ein sanftes Rufen die Luft.
Shelley, Percy Bysshe (1792-1832)
Die Traubenhyazinthe
Angenehmes Frühlingskindchen,
Kleines Traubenhyazinthchen,
Deiner Farb und Bildung Zier
Zeiget mit Verwunderung mir
Von der bildenden Natur
eine neue Schönheitsspur.
An des Stengels blauer Spitzen
Sieht man, wenn man billig sieht,
Deiner sonderbaren Blüt`
Kleine blaue Kugeln sitzen,
Dran, so lange sich ihr Blatt
Noch nicht aufgeschlossen hat,
Wie ein Purpurstern sie schmücken,
Man nicht sonder Lust erblicket.
Barthold Hinrich Brockes
regentropfenprelude
Regen in der Dämmerung
Der wandernde Wind auf den Wegen
War angefüllt mit süßem Laut,
Der dämmernde rieselnde Regen
War mit Verlangen feucht betaut.
Das rinnende rauschende Wasser
Berauschte verwirrend die Stimmen
Der Träume, die blasser und blasser
Im schwebenden Nebel verschwimmen.
Der Wind in den wehenden Weiden,
Am Wasser der wandernde Wind
Berauschte die sehnenden Leiden,
Die in der Dämmerung sind.
Der Weg im dämmernden Wehen,
Er führte zu keinem Ziel,
Doch war er gut zu gehen
Im Regen, der rieselnd fiel.
Hugo von Hofmannsthal
(1874 - 1929)
Regen in der Dämmerung
Der wandernde Wind auf den Wegen
War angefüllt mit süßem Laut,
Der dämmernde rieselnde Regen
War mit Verlangen feucht betaut.
Das rinnende rauschende Wasser
Berauschte verwirrend die Stimmen
Der Träume, die blasser und blasser
Im schwebenden Nebel verschwimmen.
Der Wind in den wehenden Weiden,
Am Wasser der wandernde Wind
Berauschte die sehnenden Leiden,
Die in der Dämmerung sind.
Der Weg im dämmernden Wehen,
Er führte zu keinem Ziel,
Doch war er gut zu gehen
Im Regen, der rieselnd fiel.
Hugo von Hofmannsthal
(1874 - 1929)
-
- Beiträge: 25931
- Registriert: Mittwoch 3. Juli 2002, 18:28
- Wohnort: Holtrop
- Kontaktdaten: